Donnerstag, 22. Februar 2024

Nicht anders sind immer nur die Anderen


Ich habe auf diesem Blog schon einmal etwas über den Soziologen Georg Simmel und das von ihm beschriebene Spannungsverhältnis zwischen Abgrenzungs- und Zugehörigkeitsbedürfnissen geschrieben. Individuen sind demnach immer auf Beides konzentriert: Wie die Anderen zu sein und nicht wie die Anderen zu sein. Dass das so ist, zeigt sich zum Beispiel an der eigentlich widersinnigen Tatsache, dass Anders-Sein immer nur in seinen sozial anerkannten Formen attraktiv erscheint. Kauzige Universalgelehrte oder Künstlerinnengenies sind nach landläufiger Meinung reizvollere Archetypen als z. B. durch Armut erzeugtes Außenseitertum. Dass wir Identitäten überhaupt ablehnen können, ohne diese selbst zu verkörpern, hat mit sozial vorgegebenen Vorstellungen darüber zu tun, welche Abweichungen erstrebenswert sind und welche nicht. 

Nietzsche studieren > Keine Manieren 

Ein verwandtes Paradox zielt auf den Wunsch, anders zu sein, der wenn nicht als anthropologische, so vielleicht zumindest als eine soziale Konstante verstanden werden kann. Distinktion konstituiert Identität. Wenn man damit aber von einer Verallgemeinerung des Anders-Sein-Wollens auf alle Teilnehmerinnen einer Gesellschaft ausgeht, wäre authentisches Anders-Sein, dann nicht nur noch über ein Nicht-Anders-Sein-Wollen zu haben? Und wäre dieses Nicht-Anders-Sein-Wollen, wenn wir Simmel folgen, nicht seinerseits wieder ein Anders-Als-Die-Außenseiter-Sein-Wollen? 

Raus aus der Misere führt (vielleicht) nur die Indifferenz. Ein naives Anders-Als-Die-Leute-Sein-Wollen-Die-Zwischen-Gewöhnlich-Und-Anders-Unterscheiden.

 


 



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